Am 27. Januar 2025 war EX-IN M-V vertreten auf der Landesweiten Gedenkveranstaltung “ERINNERN, BETRAUERN, WACHRÜTTELN” in Schwerin. In diesem Jahr wurde sich dem Thema „Psychisch Erkrankte in der NS-Zeit“ und „Psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche in der NS-Zeit“ gewidmet.





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Die Genesungsbegleiterin Charly Storch hielt eine Rede aus der Betroffenenperspektive. Sie verbrachte in ihrer Kindheit und Jugend Zeiten in psychiatrischen Kliniken und bringt Ihre Erfahrungen mit ein.
Rede von Charly Storch

Ich möchte hier und heute über Kinder – und Jugendliche sprechen, die von den Verbrechen der Nationalsozialisten betroffen waren und diesen zum Opfer gefallen sind.
Meine Perspektive als Betroffene wird als Erfahrungsperspektive den Fokus auf die letzten 20 Jahre in der Kinder- und Jugendpsychiatrie richten.
Und zu guter Letzt möchte ich drauf eingehen, was sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie verbessert hat und was sich noch verbessern darf.
Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen während der NS-Zeit
Im Jahr 1933, zu Beginn der nationalsozialistischen Ära, wurden Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie solche mit geistigen oder körperlichen Behinderungen Opfer von Zwangssterilisierungen, Vernichtung durch Hunger und Vergasung oder anderen Hinrichtungsformen. Die als „nationalsozialistische Rassenhygiene“ bezeichnete Ideologie diente der Rechtfertigung von Massenmorden an Menschen, die als „lebensunwert“ galten, sowie grausamen medizinischen Experimenten in verschiedenen Konzentrationslagern. Die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland hatte katastrophale Folgen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen. Insgesamt waren über 10.000 Kinder und Jugendliche von den sogenannten „Euthanasie“-Morden betroffen.
Zur Euthanasie an psychisch erkrankten und behinderten Kindern und Jugendlichen
Schon in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wurden systematische Maßnahmen gegen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen etabliert. Im Zuge der als „Aktion T4“ bezeichneten Maßnahme, die von 1939 bis 1941 umgesetzt wurde, wurden schätzungsweise zwischen 5.000 und 10.000 Kinder mit Behinderungen getötet.[1] Das Ziel dieser Programme war es, Personen, die als „lebensunwert“ angesehen wurden, aus der Gesellschaft zu eliminieren. Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen wie z.B. der Heil- und Pflegeanstalt für Kinder in Meseritz-Obrawalde untergebracht waren, fielen oft dieser Euthanasie-Politik zum Opfer.[2]
Kinder und Jugendliche, die an psychischen Erkrankungen litten, sich gegen das System wehrten oder aus Familien stammten, die nicht der NS-Ideologie entsprachen, wurden als „schwer erziehbar“, „verwahrlost“ oder „arbeitsscheu“ bezeichnet und in „Jugendkonzentrationslagern“ oder „Kinderfachabteilungen“ festgehalten.[3] Die Kinder und Jugendlichen wurden auf ihre sogenannte „Nützlichkeit“ hin getestet und entweder aktiv ermordet oder durch Unterlassung getötet. Dies geschah beispielsweise durch Verhungern oder Verdursten, durch Vergiftung mit Medikamenten oder durch Vergasung mit Kohlenmonoxid. Allein in den Jahren 1940/1941 wurden über 4200 Kinder und Jugendliche in sechs dafür geschaffenen Tötungsanstalten durch Vergasung getötet.[4]
Zu den Folgen
Die Ereignisse hatten schwerwiegende Auswirkungen, nicht nur auf die Opfer, sondern auf die gesamte Gesellschaft.
Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen bedurften und bedürfen besonderem Schutz, weil sie oft verletzlicher und nicht in der Lage sind, sich selbst ausreichend zu schützen. Ihre physische und psychische Unversehrtheit ist besonders anfällig für Gefahren und Missbrauch. Zudem benötigen sie Unterstützung, um ihre Rechte und Bedürfnisse deutlich zu machen. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und gesetzliche Regelungen sollten darauf abzielen, ihre Integration und Teilhabe zu fördern und ihnen einen sicheren Lebensraum zu bieten. Gerade diese Charakteristik machte Sie zu leichten Opfern des NS-Regimes.
Das schwerwiegende Erbe des nationalsozialistischen Regimes mit der gezielten und brutalen Politik gegen psychisch erkrankte und behinderte Kinder und Jugendliche hatte weitreichende Folgen. Vor allem die Etablierung des Wertes „nützlicher und lebenswerter Menschen“ hat sich nachhaltig in der Sozialisierung der Bevölkerung verankert. Und das reicht über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus.
Die Annahme, dass psychische Krankheiten erblich bedingt, unheilbar sind oder automatisch mit Fremdgefährdung einhergehen, sind auch heute noch weit verbreitet in unserer Gesellschaft. Dass jedoch z.B. physische und psychische Gewalt und Vernachlässigung in einem viel größeren Maße zur Entwicklung der meisten psychischen Krankheiten beitragen, dass auch ein Leben mit chronischer psychischer Erkrankung lebenswert und nützlich innerhalb einer Gesellschaft sein kann und dass die wenigsten psychisch erkrankten Menschen im Gesamtvergleich fremdgefährdend sind, ist bei vielen Menschen bis heute nicht angekommen.
Die systematische Ablehnung oder Nichtanerkennung psychischer Erkrankungen und Behinderungen, auch bei Kindern und Jugendlichen, ist bis heute ein weit verbreitetes Phänomen in unserer und anderen Gesellschaften. Bis heute haben die Ideale von Perfektion, Nützlichkeit und Belastbarkeit in vielen Familien und anderen gesellschaftlichen Lebensformen einen sehr hohen Stellenwert. Menschen, die den gelebten Erwartungen dieser Werte nicht entsprechen, werden bis heute zu oft stigmatisiert und diskriminiert.
Bei dieser Art der Umgangsweisen mit Menschen mit psychischen und physischen Erkrankungen und Behinderungen, können wir über ein Gesellschafts-Trauma sprechen, insbesondere über transgenerationales Trauma, das wir alle noch erleben und viele Menschen immer noch bewusst oder unbewusst an nachfolgende Generationen weitergeben.
Es obliegt uns, diese Gegebenheiten zu betrachten. Nicht ausschließlich an einem Tag wie diesem.
Die Fragen: „Was ist uns bis heute geblieben aus dieser NS-Zeit und unter welchen Auswirkungen leiden Menschen, leiden betroffene Kinder und Jugendliche, bis heute?“ sind von großer Bedeutung, wenn es um eine vollumfängliche Betrachtung dieses Themas an diesem Aktionstag geht.
Meine Erfahrungsperspektive
Und damit komme ich zu meinen Erfahrungen als Kind und Jugendliche mit psychischer Erkrankung und Behinderung im psychiatrischen System hier in Deutschland, über 60 Jahre nach der NS-Zeit. Ich bin 25 Jahre alt und reflektiere seit vielen Jahren was mir in den letzten 17 Jahren an guten und weniger guten Erfahrungen in psychiatrischen Kliniken und Behandlungen passiert ist.
Ich war von meinem 8. Lebensjahr an regelmäßig in unterschiedlichen psychiatrischen Kliniken zur Behandlung. Die Aufenthalte in den Kliniken variierten von einem Tag bis zu 12 Wochen. Die Gründe für Klinikaufenthalte umfassten die Aufarbeitung von Traumata, Ein- und Umstellungen von Medikamenten, Eigen- und Fremdgefährdung sowie suizidale Krisen. Da ich über viele Jahre immer wieder Klinikaufenthalte und Behandlungen hatte, habe ich viele verschiedene Erfahrungen gemacht, die vor allem abhängig von meinem jeweiligen Zustand, von den Menschen, die mich umgaben, und den Möglichkeiten der Behandlungen waren.
Zu meinen positiven Erfahrungen gehören, dass die Vielfalt an Therapiemaßnahmen, z.B. Ergo-, Musik-, tiergestützte- und verschiedene Bewegungstherapien, sich immer wieder positiv auf mich ausgewirkt haben. Es wurden mit mir zusammen nach Lösungen gesucht, beispielsweise bei der Auswahl von Therapien oder wenn ich spezielle Bedürfnisse hatte. Heute weiß ich, dass es für mich wichtig ist, dass Raum für individuelle Vereinbarungen vorhanden ist. Als ich mit zunehmender Erfahrung Zweifel bezüglich meiner Diagnosen und dazu die Bitte einer erneuten Diagnostik geäußert habe, wurde dieser Bitte nachgegangen. Es wurde bei der Auswahl an Therapien möglichst darauf geachtet, dass diese nicht retraumatisierend wirken und wenn es nicht möglich war, habe ich die Möglichkeit erhalten den Raum zumindest vorrübergehend oder je nach Situation vorzeitig die Therapiestunde zu verlassen. Auch die Förderung eine gewisse Normalität tat mir gut. So erlebte ich regelmäßig Ausflüge und Gruppenangebote, genauso gab es regelmäßig Handyzeiten. Es besteht die Möglichkeit alleinigen oder begleiteten Ausgang zu erhalten. Ich erlebte Änderungen von therapeutischen Konzepten, die nicht mehr allein auf Medikamentengabe abzielten. Mach all den Dingen, die mir geholfen haben, sehe ich dennoch Entwicklungsbedarf.
Meine negativen Erfahrungen betrafen vor allem verschiedene Formen der Freiheitsbeschränkung und dass ich Behandlungen erlebte, die nicht auf Augenhöhe stattfanden, ich fühlte mich immer wieder nicht gehört und verstanden. Ich erlebte verbale und psychische Formen der Gewalt. Diese zeigten sich z.B. durch Verleumdungen, Demütigungen und Beschuldigungen. Bis heute ist mir sehr gut im Gedächtnis, dass ein Chefarzt zu mir sagte „Sie bekomme ich in die Forensik!“
Außerdem machten mir die häufigen Umstellungen meiner Medikamente und die Nebenwirkungen zu schaffen. Auch die Überlastung des Systems spürte ich immer wieder, wenn ich trotz mehrerer Suizidversuche zu früh entlassen oder gar nicht erst aufgenommen wurde. Es entstanden Ängste vor Behandlungen aufgrund negativer Erfahrungen in Kliniken, die dazu führten, dass ich Panik vor neuen Klinikaufenthalten hatte. Dies führt mehr als einmal zu Zwangseinweisungen. Ich hatte immer wieder das Gefühlt nicht die Hilfe zu erhalten, die ich gebraucht hätte. So stellte sich bei mir Hoffnungslosigkeit ein bei den Worten, dass ich austherapiert sei. Ich habe angefangen mich selbst aufzugeben. Es dauerte Jahre mich wieder zu öffnen für neue Behandlungen und die Annahme von erneuter Hilfe.
Seit 2019 kann ich auf immer mehr stabile Phasen zurückblicken. Diese Entwicklung hängt z.B. ab von dem Wechsel meines sozialen Umfeldes, dass ich mich immer mehr in Netzwerken mit anderen Betroffenen aufhielt, die sich um Stabilisierung bemühen. Dann kam 2019 die Weiterbildung zur Genesungsbegleiterin bei EX-IN M-V dazu und eine schöne Therapieerfahrung 2020 sowie im Jahr 2022 eine große Veränderung meiner medikamentösen Therapie. In den Folgejahren erfuhr ich, dass eine größere Teilhabe zu einer größeren Stabilität bei mir führte. Aus diesem Grund spielt mein ehrenamtliches und hauptamtliches Engagement eine große Rolle in meinem Leben. Heute bin ich beim Landesverband EX-IN M-V angestellt, leite eine Kreativtreffen für Betroffene, Angehörige und Zugehörige anlässlich des Aktionstages Suizidprävention und engagiere mich kirchlich. Ich habe so wieder Hoffnung geschöpft, auch mit meiner chronischen Erkrankung Ziele erreichen zu können. Ich plane einen Schulabschluss nachzuholen und eine Ausbildung sowie ein Studium im sozialen Bereich zu absolvieren. Weiterhin integriere ich Behandlungen in mein Leben. Auch heute habe ich noch Phasen, in denen ich in krankheitsbedingte Krisen rutsche. Aber durch all meine Erfahrungen lerne ich immer besser damit umzugehen. Dabei helfen mir eine geregelte Tagesstruktur, mein Netzwerk, mein ehrenamtliches Engagement, meine Stelle bei EX-IN, meine Hobbys und mein christlicher Glaube.
Zum Ausblick
Ich spreche von meinen Erfahrungen, ob positiv oder negativ, und doch sind diese niemals vergleichbar mit den Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen in der NS-Zeit. Nichts sollte damit verglichen werden.
Aber wir sollten die bisherigen Entwicklungen würdigen und nach der bestmöglichen Behandlung und Versorgung von Betroffenen streben – heute und in Zukunft.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen hat in unserer heutigen Gesellschaft mittlerweile einen hohen Stellenwert. Spätestens seit dem Jahr 2000, in dem der Bundestag im Bürgerlichen Gesetzbuch das Recht von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung verankert hat, ist der Schutz von Kindern in Deutschland erheblich gestärkt worden. Dieses Gesetz stellt klar, dass körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere degradierende Maßnahmen in der Erziehung nicht zulässig sind. Ziel dieser Regelung ist es, ein positives und respektvolles Umfeld zu schaffen, in dem Kinder gesund aufwachsen können.
Die Verankerung dieses Rechts hat nicht nur rechtliche, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen. Es hat zu einem immer stärker werdenden Umdenken in der Begleitung von Kindern geführt, hin zu mehr gewaltfreien und einfühlsamen Ansätzen. Eltern, ErzieherInnen und Fachkräfte werden ermutigt, gewaltfreie Erziehungsmethoden zu erlernen und anzuwenden, um Kinder zu fördern und zu schützen.
Zudem spielt die Prävention von Gewalt in der Familie und in Schulen eine zentrale Rolle, um Kinder und Jugendliche vor physischen und psychischen Schäden zu bewahren.
Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, diese Rechte in der Praxis konsequent umzusetzen und sicherzustellen, dass alle Kinder und Jugendlichen in einem sicheren und unterstützenden Umfeld aufwachsen können.
Bildung und Sensibilisierung sind daher unerlässlich, um das Bewusstsein für die Rechte von Kindern zu schärfen und ihnen die Möglichkeit zu geben, selbstbewusst für ihre Bedürfnisse einzutreten.
Trotz all dieser Bemühungen ist das Thema „Leben mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen“ in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens immer noch nicht enttabuisiert. Betroffene erleben auch heute noch, dass man sich über sie lustig macht, sie nicht ernst nimmt und ihnen nichts zutraut. Trotz aller Fortschritte sind Stigmatisierung und Diskriminierung von Betroffenen noch vorhanden. Doch es gibt große Fortschritte und Verbesserungen, an denen wir weiterarbeiten können. Durch die gesamtgesellschaftlichen Bemühungen in den letzten Jahrzehnten, die Sensibilisierung und Aufklärung, können wir als Betroffene und wollen immer mehr Menschen über Ihre Erfahrungen sprechen und diese mit anderen teilen. Andere Betroffene und ich erleben, dass Menschen nicht mehr so häufig distanziert reagieren, wenn Betroffene erzählen, dass eine psychische Erkrankung vorliegt, uns mehr Interesse und Offenheit entgegengebracht wird. Auch die mediale Aufklärungsarbeit trägt dazu bei oder vielleicht, dass immer mehr Menschen irgendeine betroffene Person kennen.
Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen haben im heutigen sozialpsychiatrischen System viel mehr Zukunftsperspektiven, Mitspracherecht und Freiheiten, die es zur NS-Zeit niemals gegeben hätte.
Und dennoch wünsche ich mir etwas:
Ich wünsche mir für eine bessere Zukunft für Kinder und Jugendliche noch mehr Aufklärungsarbeit, dass Betroffenen noch mehr Gehör in Behandlungen geschenkt und die Teilhabe weiter gefördert wird.
Ich wünsche mir in Bezug auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie mehr Transparenz, regelmäßige neutrale und unvoreingenommene Überprüfungen von Diagnosen und Medikamentenvergaben und mehr und bessere Methoden zur Deeskalation, so dass weniger traumatische Behandlungserfahrungen gemacht werden.
Und zu guter Letzt wünsche ich mir, dass Kinder und Jugendliche mit jahrelangen Krisenerfahrungen nicht aufgegeben werden und dass wir alle daran arbeiten, dass passende Hilfsangebote entwickelt werden und Betroffene Formen der Inklusion erleben dürfen.
Vielen DANK für Ihre Aufmerksamkeit!
[1] Vgl. Quelle: https://www.welt.de/kultur/history/article13819999/10-000-unwerte-Kinder-ermordet-und-missbraucht.html
[2] Vgl. Quelle: Hürter, Johannes. „Euthanasie im Nationalsozialismus: Der Weg zur Tötung der ‚lebensunwerten‘ Menschen.“ In: Hürter, Johannes (Hrsg.): „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Verlag Ferdinand Schöningh, 2013.
[3] Vgl. Quelle: https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-gedenken-1938-annexion-oesterreichs/kindheit-und-jugend-im-jahr-1938
[4] Vgl. Quelle: https://www.welt.de/kultur/history/article13819999/10-000-unwerte-Kinder-ermordet-und-missbraucht.html
Vorankündigung vom 08.01.2025:
Die „Aktion T4“ aus der Nazizeit zählt ohne Zweifel zu den größten und schrecklichsten Fehlern in der deutschen Geschichte, ja es geht um Verbrechen!
„Aktion T4 ist eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für den systematischen Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter Leitung der Zentraldienststelle T4. Diese Ermordungen waren Teil der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus, denen bis 1945 über 200.000 Menschen zum Opfer fielen.“ Quelle: Wikipedia
Aber die sogenannte „Eugenik“ (Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen – Quelle: Planet Wissen) geht zurück bis auf die Evolutionslehre des britischen Naturforschers Charles Darwin in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Idee hinter der „Eugenik“ existierte schon sehr lange. In der Nazizeit ab 1933 wurden Menschen mit seelischen/psychischen Krankheiten sowie geistig und körperlich behinderte Menschen dann sterilisiert, dem Verhungern überlassen, mit einer Überdosis Medikamenten getötet, vergast oder anders hingerichtet. Die „Nationalsozialistische Rassenhygiene“ diente zur Rechtfertigung von Massenmorden, die als „lebensunwert“ definierten Menschen, um grausame Menschenversuche in verschiedenen Konzentrationslagern zu verüben.
In Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Deutschland wird jährlich der Menschen mit psychischen Erkrankungen, geistigen und körperlichen Behinderungen gedacht, die im Nationalsozialismus zwangssterilisiert oder im Rahmen der „NS-Euthanasie“ ermordet oder in Vernichtungslager deportiert wurden.
Am 27. Januar gedenken wir in Deutschland den Opfern des NS-Regimes und somit auch den Menschen, die Opfer der NS-Euthanasie und Zwangssterilisationen wurden. Heute ist ein solches Grauen glücklicherweise Vergangenheit. Aber an vielen Vorurteilen gegenüber Menschen mit seelischen/psychischen Problemen hat sich leider noch nicht so viel geändert. Man nennt das auch „Stigmata/Stigma“ oder „zweite Krankheit“. Stigmata sind gesamtgesellschaftlich gewachsen und viele halten sich bis heute hartnäckig in den Köpfen vieler Menschen. Sie beruhen auf der Angst, vor dem, was anders ist. Neben der Angst vor dem Unbekannten spielt fehlendes Wissen oder Halbwissen oder falschen Annahmen eine große Rolle zur Entstehung von Ablehnung bis hin zu Behindertenfeindlichkeit (Ableismus).
Tatsächlich erkranken jährlich bis zu 20 Millionen Menschen der Bevölkerung an psychischen Erkrankungen. Einige Quellen sprechen von noch mehr Betroffenen, Quellen: Reha-Info, ärzteblatt.de oder DGPPN Dossier 2018.
Es gibt bereits sehr gute Anti-Stigma-Projekte, durch die immer mehr Menschen besser aufgeklärt werden, z. B. „Verrückt? Na und!“ von IRRSINNIG MENSCHLICH.
Viele Menschen arbeiten heute in den unterschiedlichsten Kontexten für eine vielfältigere Gesellschaft, bessere Lebensbedingungen und die Abnahme von Stigmata, Behindertenfeindlichkeit sowie Zwang und Gewalt ggü. Menschen mit Behinderungen.
Wir wollen uns dafür einsetzen, dass sich die Verbrechen der damaligen Zeit nicht wiederholen und den Opfern gedenken. Lasst uns die Augen nicht vor Ungerechtigkeiten verschließen.
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Zum Gedenken finden an verschiedenen Orten in ganz Deutschland Gedenkveranstaltungen statt. Der Landesverband Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e. V. (LSP M-V e. V.) ruft dazu auf, durch regionale Aktionen am 27. Januar 2025 ein gemeinsames Zeichen des Erinnerns an die Opfer des Nationalsozialismus und gegen Faschismus und Menschenfeindlichkeit zu setzen.
Die Landesweite Gedenkveranstaltung „ERINNERN, BETRAUERN, WACHRÜTTELN“ findet gemeinsam mit der Landeshauptstadt Schwerin und zahlreichen Kooperationspartner*innen aus Schwerin und Umgebung statt.
Hierzu möchten wir Sie herzlich einladen.
Alle Informationen über die Website des Landesverbandes Sozialpsychiatrie: Website
Das Programm mit den genauen Orts- und Zeitangaben finden Sie hier: