Jede Form der Unterstützung von Betroffenen durch andere Betroffene kann man als „Peer-Support“ bezeichnen, was übersetzt so viel bedeutet wie: „Unterstützung für Betroffene von Betroffenen“, Peer-Support ergänzt in vielen Fällen das Behandlungsteam sinnvoll, indem es die Betroffenenperspektive einbringt und so den Horizont aller Beteiligten erweitert.

Die Achtsamkeit der Mitarbeitenden und der Teams im Umgang mit den Klienten und sich selbst wird durch den anderen Blickwinkel der Genesungsbegleiter erhöht. Durch den Austausch mit Peerbegleiter*innen können die Mitarbeiter ihr eigenes Handeln hinterfragen und zu neuen Lösungsideen kommen. Unterschiedliche Zugänge zu Klient*innen bringen neue Wege und Lösungen.

Dazu wurde eine Weiterbildung für Psychiatrie-Erfahrene Menschen entwickelt. In dieser EX-IN-Weiterbildung beschäftigen sich die Teilnehmer damit, wie ihre Krise ausgelöst wurde, wie sie sie erlebten und was sie von innen und außen unterstützt hat herauszukommen, also das Leben mit allen Einschränkungen zu leben. Die Teilnehmer erfahren auf diesem Weg, dass sich nichts ändern kann, wenn sie nicht selbst etwas dafür tun. In der Qualifizierung erlernen sie diese Erfahrung einzusetzen um andere Betroffene zu unterstützen.

Genesungsbegleiter*innen werden eingesetzt, um Menschen mit seelischen Handicaps zu begleiten, statt zu betreuen. Die Tätigkeitsfelder sind so unterschiedlich wie wir EX-In-ler*innen selbst.

Wie bereits erwähnt ist der Kurs keine Ausbildung sondern eine Weiterbildung. Es erfolgt im Anschluss an den Kurs nicht automatisch eine Anstellung in der Sozialpsychiatrie. Jedoch gelingt es immer mehr Absolvent*innen eine Anstellung zu finden und somit die Idee von EX-IN in M-V zu verbreiten.

 

EX-IN: Herausforderungen und Chancen

Herausforderung in der Zusammenarbeit:

Gerade zu Beginn ist die Rolle des Genesungsbegleiters ungewohnt und es können Irritationen und Unsicherheiten im Unternehmen auftreten. Es gibt die Frage nach dem Wert der Professionalität und der Erfahrung. Oft können EX-INler*innen, die das Team eigentlich tatkräftig unterstützen sollten, als Klienten gesehen werden. Entsprechend wird auf sie reagiert, auch von „echten Klienten“. Eine Gefahr ist auch, das der Begleiter nicht ausreichend in die Rolle eingeführt wird, die Bedenken nicht ausreichend gesehen und vor allem die Aufgabenbereiche nicht klar definiert werden. Auch der Anpassungsdruck kann zu Gefahr werden.

Chancen durch EX-INler*innen:

Natürlich können EX-INler*innen oftmals wieder erkranken, doch gerade dadurch zeigen sie das Menschsein durchaus brüchig ist und auch sein darf. Die künstliche Trennung zwischen stark und schwach, krank und gesund, halten und gehalten werden usw. hilft niemanden, schon gar nicht den seelisch kranken Menschen.

Die EX-INler*innen machen deutlich, das es den Klienten nicht hilft, wenn andere ob professionell Tätige oder Genesungsbegleiter, ihnen vorschreiben, was gut für sie ist. Es gilt, dass das die Klienten selbst für sich herausfinden müssen und nicht bevormundet werden sollten. Natürlich müssen Mitarbeiter manchmal die Verantwortung für Klienten übernehmen, doch sie sollte auch wieder zurückgegeben werden.

Chancen für professionell tätige Mitarbeiter und die Organisation

Die Einbeziehung von EX-INler*innen bietet Anstoß zur Weiterentwicklung und bereichert die Teams und Organisationen:
Die gemeinsame Bearbeitung unterschiedlicher Themen führt zu neuen Erkenntnissen bei den Profis, auf die sie sonst nie gekommen wären.
Die Achtsamkeit der Mitarbeitenden und der Teams im Umgang mit den Klienten und sich selbst wird durch den anderen Blickwinkel der Genesungsbegleiter erhöht.
Durch den Austausch mit Peerbegleitern können sich die Mitarbeiter ihr eigenes Handeln hinterfragen und zu neuen Lösungsideen kommen.
Gemeinsam kann herausgearbeitet werden, wie die Wirksamkeit von Angeboten erhöht werden kann. Das Erfahrungswissen ist sehr hilfreich, um vor der Übernahme von zu viel Verantwortung, unrealistischen Zielen und zu hohen Qualitätsansprüchen zu schützen.
Gelingt die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, bieten die EX-INler*innen die Möglichkeit, die Organisation und die Unterstützungsmöglichkeiten zu reflektieren.
Die Verschiedenheit in Rollen und Sichtweisen sowie der Aufgaben kann gelebt und die Achtsamkeit in der Organisation erhöht werden.
Unterschiedliche Zugänge zum Klienten bringen neu Wege und Lösungen.

FAZIT:

Die Einbeziehung von Menschen, die durch die Erfahrung mit ihren eigenen seelischen Problemen während der EX-IN-Weiterbildung gelernt haben in der Sozialpsychiatrie erfolgreich mitzuarbeiten, können zur großen Bereicherung werden, wenn man sie nur lässt! Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass selbst einige Betroffene Berührungsängste mit Genesungsbegleitern haben, die schließlich selbst seelische Probleme und eine Diagnose haben. Sie glauben, die sog. Peer-Berater wären selbst zu schwach um zu helfen. Eine solche Ansicht herrscht teilweise auch bei den Profis! Doch es wurde schon lange bewiesen, das EX-INler*innen ein großer Zugewinn sind und auf Augenhöhe begreifen.