Seit dem 01.05.2018 gibt es das Projekt rund um Genesungsbegleitung in Mecklenburg-Vorpommern.
Ab 2024 heißt das Projekt „Ausbildung von Genesungsbegleiter*innen und Etablierung von Genesungsbegleitung in M-V“ und wird weiterhin gefördert vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) sowie Aktion Mensch. Kurz gesprochen nennen wir das Projekt „Genesungsbegleitung in M-V“.
Ziele und Wirkung von Genesungsbegleitung
Ziele sind die Etablierung und Förderung der EX-IN Philosophie, der Genesungsbegleitung in Mecklenburg-Vorpommern sowie der entsprechenden Netzwerkstrukturen.
Diese Ziele bauen auf bestimmten Grundsätzen des „Peer-Supports“ auf. Peer-Support oder Peer-Beratung werden verstanden als Beratung, die durch Menschen mit denselben Merkmalen erfolgt oder die sich in derselben oder einer ähnlichen Lebenssituation befunden haben, wie die zu Beratenden. Im Rahmen der EX-IN Bewegung sind Peers Menschen mit Krisen- und Psychiatrie-Erfahrungen. Wir reden also von einer Unterstützung von Menschen in psychosozialen Krisen oder während akuter psychologischer Krankheitsphasen von Betroffenen in stabilen Lebenslagen mit vielen Erfahrungen in unterschiedlichen psychosozialen Krisen sowie mit psychischen Erkrankungen und/oder Behinderungen.
Peer-Support ergänzt in vielen Fällen bestehende Behandlungsteams in der psychosozialen Versorgungslandschaft sinnvoll, indem es die Betroffenenperspektive einbringt und so den Horizont aller Beteiligten erweitert. Die Achtsamkeit der Mitarbeitenden und der Teams im Umgang mit den Klienten und sich selbst wird durch den anderen Blickwinkel der Genesungsbegleiter*innen erhöht. Aufgrund des Austausches mit Peerbegleiter*innen können die Mitarbeiter*innen ihr eigenes Handeln hinterfragen und zu neuen Lösungsideen kommen.
Der EX-IN Kurs: die Qualifizierung Genesungsbegleitung
Für diese Art der Hilfe wurde eine Weiterbildung für Psychiatrie-Erfahrene Menschen entwickelt. In der „EX-IN-Weiterbildung“ beschäftigen sich die Teilnehmer*innen damit, wie ihre Krisen ausgelöst wurden, wie sie diese erlebten und was sie von innen und außen unterstützt hat. Die Teilnehmer*innen erfahren auf diesem Weg u. a., dass sich Situationen und Prozesse verändern können, wenn sich Betroffene selbst aktiv beteiligen und offen für Veränderungen sind. In der Qualifizierung erlernen sie ihre Erfahrungen einzusetzen, um andere Betroffene zu unterstützen. Die ausgebildeten Genesungsbegleiter*innen werden dann eingesetzt, um Menschen in psychosozialen Krisen oder während akuter psychologischer Krankheitsphasen auf Augenhöhe zu begleiten in ihren Stabilisierungs- und Genesungsprozessen. Die Tätigkeitsfelder sind dabei so unterschiedlich wie die ausgebildeten Genesungsbegleiter*innen selbst.
In den Jahren 2022 und 2023 wurde der 4. EX-IN Kurs in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich beendet. 2024 wird der nächste EX-IN Kurs bzw. die nächste Weiterbildung für zukünftige Genesungbegleiter*innen beginnen.
Weitere Aufgaben des Projektes
Die Vermittlung zwischen ausgebildeten Genesungsbegleiter*innen und Arbeitgeber*innen ist uns ein großes Anliegen, das wir in diesen Jahren bestmöglich unterstützen wollen. Zudem wird ein Fokus auf die Stärkung und Etablierung der Genesungsbegleitung sowie die Unterstützung der Genesungsbegleiter*innen im Rahmen einer Landesarbeitsgruppe Genesungsbegleitung gelegt. Ebenfalls verfolgen wir die Einbindung dieser in und Unterstützung von bestehende(n) Netzwerke(n) in der psychosozialen Versorgungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern.
Über Entwicklungen, Profile von Genesungsbegleiter*innen sowie Arbeitgeber*innen und vieles mehr, können Sie sich ganz einfach auf unserer EX-IN M-V Website informieren.
Warum sollte die Qualifizierung von Genesungsbegleiter*innen strukturell gefördert werden?
Die Qualifizierung Genesungsbegleitung für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen/Behinderungen ist eine auf diese Zielgruppe zugeschnittene Weiterbildung, die es nicht für Menschen ohne diese Erkrankungen/Behinderungen gibt. Die normalisierten Ausbildungen/Weiterbildungen sind für Menschen ohne psychische Behinderungen entwickelt mit z. B. einem Stundenumfang von 40 Stunden, weniger Pausen und einer geringen Ausprägung inklusiv ausgerichteter Lernsettings. Zu inklusiven Lernsettings gehören z. B. eine größere Methodenvielfalt, um Auswirkungen von Beeinträchtigungen präventiv vorzubeugen und Konfliktsituationen interventiv mit geeigneten Methoden zu begegnen, sowie eine inklusive Bildungshaltung bei den Lehrenden. Der Start in eine Wiedereingliederung kann auf diesem Wege viel besser gelingen und eine langanhaltende Stabilität befördern. Weiterbildung in der Art, wie die der Genesungsbegleitung, sollen genauso wie die normalisierten Weiterbildungen zu einer Verbesserung der Teilhabe und im Sinne der psychisch Erkrankten zu einer Stabilisierung durch Erhöhung der z. B. Selbstwirksamkeitserfahrung und sozialen Eingebundenheit führen. Dies sehen wir als wichtige Aufgabe in der Wiedereingliederung. Wir haben mehrere Genesungsbegleiter*innen, die im Laufe der Zeit die Arbeitsstunden von fünf auf dreißig oder bis zu vierzig Arbeitsstunden erhöhen konnten, da Stabilisierungsfaktoren wirkten. Der Start in ein solches Leben ist durch Rahmenbedingungen normalisierter Aus- und Weiterbildungsformen für viele Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen/Behinderungen nicht möglich. Aus diesem Grund handelt es sich um einen behinderungsbedingten Mehrbedarf und nicht um eine Besserstellung von Menschen mit Behinderungen.
Zudem werden Genesungsbegleiter*innen in Wirtschaftsunternehmen, wie z. B. Kliniken, tätig und tragen zu der Entwicklung und Förderung inklusiver Strukturen und Haltungen bei allen Beteiligten bei. Die anerkennende Bedeutung dieser Strukturen und Haltungen wird zukünftig eine wichtige Voraussetzung darstellen, um die weiter steigende Anzahl von psychisch erkrankten Menschen in Unternehmen nachhaltig wieder einzugliedern.